Mit „You are fired“ ist es nicht getan / Über geschriebene und ungeschriebene Regelungen bei Kündigungsmaßnahmen in den USA

Hamburg (ots) –

Das US-amerikanische Arbeitsrecht unterscheidet sich grundlegend vom deutschen Arbeitsrecht. Anders als in Deutschland ist es wesentlich flexibler und enthält für amerikanische Arbeitnehmer nur wenige Schutzmaßnahmen. Diese abweichende Auffassung ist in der starken individualistischen Kultur der USA verwurzelt. So ist es Personalern möglich, notwendige Entlassungen auf die spezielle Situation einer Betriebsstätte oder Abteilung zuzuschneiden. Da es nur wenig gesetzliches oder tarifliches Regelwerk gibt, müssen Personalverantwortliche auf die mit einer Kündigung zusammenhängenden Fragen immer wieder neu eine passende Antwort finden: Wann genau sollten Entlassungen ausgesprochen werden? Ist es besser, Kündigungswellen ein- oder mehrmals durchzuführen? In welcher Höhe kann eine Abfindung angeboten werden? Wie geht man mit langfristigen Vergütungselementen um? Und werden Kündigungen besser via Zoom oder SMS durchgeführt oder sollte man Personen aus dem Homeoffice zur Entlassung ins Büro einbestellen? Das alles sind wichtige Fragen – vor allem vor dem Hintergrund, im Interesse des Unternehmens Prozesse oder negative Bewertungen und Berichterstattungen zu vermeiden.

Kündigungen sorgfältig vorbereiten, Ruf des Unternehmens schützen

Gegenwärtig machen viele amerikanische Unternehmen durch Kündigungswellen von sich reden: Amazon, Goldmann Sachs, Ford, Meta, Alphabet, Twitter, Microsoft, 3M, General Motors (GM) und Hasbro sind nur einige Beispiele namhafter Firmen, welche ihren Personalbestand optimieren. Gleichzeitig ist es für fast alle Unternehmen immer noch eine Herausforderung, qualifizierte Bewerber für wichtige Positionen zu finden. Die Arbeitslosenquote in den USA lag im Januar 2023 auf einem historischen Tiefstand von 3,4 Prozent. Neben den volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen müssen Unternehmen berücksichtigen, dass Mitarbeiter zunehmend mehr Möglichkeiten haben, ihren Arbeitgeber in öffentlich zugänglichen Internetportalen zu bewerten und ihn dabei gegebenenfalls in ein negatives Licht rücken. Somit kann die Attraktivität des Unternehmens für neue Bewerber reduziert werden. Kommunikationstools wie Slack, TEAMS oder Zoom geben Arbeitnehmern neue Möglichkeiten, Einfluss auf die interne Stimmung im Unternehmen zu nehmen. Webseiten, z. B. Glassdoor, bieten ehemaligen Beschäftigten viele Möglichkeiten, mit negativen Bewertungen den Ruf des Arbeitgebers extern zu schädigen. Unternehmen müssen deshalb Entlassungen sorgfältig vorbereiten, um ihren Ruf als attraktiven Arbeitgeber zu schützen und die interne betriebliche Stimmung unter den Verbleibenden aufrechtzuerhalten.

Um Missverständnissen bezüglich der Gesetzgebung vorzubeugen: Amerikanische Arbeitnehmer haben meistens sehr wenige gesetzlich einklagbare Rechte. Aber es gibt ungeschriebene Regeln und oft – nicht auf den ersten Blick – erkennbare Interessen. Die jeweilige Branche ist ebenso von Relevanz für den Weg der Durchführung wie regionale Gegebenheiten. Zum Beispiel folgen Entlassungen in Silicon Valley einer anderen Logik als in der Automobilbranche im Südosten der USA. Damit gibt es keine allgemeingültige Vorgehensweise. Personalverantwortliche finden oft verschiedene Antworten auf die eingangserwähnten Fragestellungen.

Große Welle oder kleine Schritte

Viele Unternehmen ringen damit, ob sie eine umfassende Entlassungswelle vornehmen oder besser über einen bestimmten Zeitraum eine Reihe kleinerer Kürzungen durchführen sollen. Beide Ansätze bergen Risiken: Ist eine Entlassungswelle zu umfangreich, kann ein Unternehmen versehentlich wichtige Kompetenzen verlieren bzw. die Verantwortlichen erkennen zu spät, dass unter den Gekündigten relevante Mitarbeiter waren, deren Know-how unverzichtbar ist. Mehrere Entlassungen in kurzer Zeit schüren jedoch Unruhe unter der Belegschaft und können zu anhaltender Instabilität in einem Unternehmen führen.

Den richtigen Zeitpunkt finden

Stehen Kündigungen an, so gehen die Firmen recht unterschiedlich mit dem Zeitpunkt der Bekanntgabe um: Einige Unternehmen geben Wochen im Voraus bekannt, dass mit Entlassungen zu rechnen ist, informieren aber noch nicht über die konkreten Schritte oder geplanten Veränderungen. Einerseits gibt dies Mitarbeitern die Chance, sich nach neuen Stellen umzuschauen. Andererseits schürt diese Vorgehensweise aber auch Unsicherheiten unter der gesamten Belegschaft, weil nicht kommuniziert wird, welche Stellen abgebaut werden sollen. Andere Firmen bevorzugen einen anderen Ansatz: Die betroffenen Beschäftigten werden via E-Mail oder SMS über die Entlassung informiert und gebeten, ihren Arbeitsplatz innerhalb kurzer Zeit, oft innerhalb von Stunden, zu räumen. Der Zugang zu E-Mails, internen Tools und Gebäuden werden oft innerhalb von Minuten nach der Aussprache der Kündigung blockiert – oft wird sogar das E-Mail-Konto schon vor der Kündigung abgeschaltet. Auf die Frage, in welchem Umfang Kündigungen durchgeführt werden sollen und wann diese bekanntzugeben sind, müssen manche Unternehmen zudem gesetzliche Regelungen beachten. Diese sogenannten WARN Acts (Worker Adjustment and Retraining Notification Acts) auf Bundes- und Bundesstaatenebene verpflichten bestimmte Arbeitgeber u. a. dazu, Entlassungen ab einer bestimmten Anzahl von Beschäftigten mehrere Wochen im Voraus anzukündigen. Diese Regeln gelten nicht nur für Konzerne wie Microsoft & Co., auch für kleinere Unternehmen ab ca. 50 Mitarbeiter können WARN Acts durchaus relevant sein. Einfach über Nacht E-Mail und Schlüsseltransponder abzuschalten, kann für Unternehmen, die unter diese Regelung fallen, teuer werden.

Wochentag versus Wochenende

Früher war es fast normal, das Kündigungen freitags ausgesprochen wurden. Die folgenden arbeitsfreien Tage sollten den Betroffenen die Verarbeitung der Entlassung erleichtern und allen Beteiligten eine „Cool-Off-Zeit“ verschaffen, um erhitzte Gemüter zu beruhigen. Heutzutage wählen Personalverantwortliche häufiger einen Tag in der Woche, um eine Entlassung auszusprechen. Dies soll den Arbeitnehmern die Chance geben, direkt an den Folgetagen während der Geschäftszeiten mit Recruitern und Personalvertretern anderer Unternehmen Kontakt aufzunehmen.

Digital ersetzt zunehmend Face-to-Face

Die Ära der hybriden Arbeit macht die Vorgehensweise bei einer Kündigung inzwischen komplizierter. Während es vor Pandemiezeiten von Führungskräften erwartet wurde, schlechte Nachrichten von Angesicht zu Angesicht zu überbringen, änderte COVID diese Erwartungshaltung. Entlassungen via Zoom oder TEAMS werden inzwischen regelmäßig praktiziert und stärker akzeptiert. Immer wieder werden auch via SMS ausgesprochene Entlassungen bekannt – die Grenzlinien der Akzeptanz haben sich hier eindeutig verschoben. In der Diskussion steht aktuell der Umgang mit Beschäftigten im Homeoffice. Hier sollten Personalverantwortliche sorgfältig abwägen, ob es im jeweiligen Fall fairer ist, die entsprechende Person zur Entlassung in die Firma einzubestellen oder ihr die Kündigung auf anderem Weg auszusprechen.

Höhe der Abfindung ist variabel

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Höhe der Abfindung: Auch wenn es keine gesetzlichen Grundlagen für eine Abfindung gibt und individuelle oder gewerkschaftliche Vereinbarungen selten sind, bieten viele Unternehmen Abfindungen an. Im Gegenzug müssen Arbeitnehmer alle Ansprüche gegenüber dem Unternehmen aufgeben. Die Firmen entwickeln ihre eigenen Formeln, um die Höhe der Abfindung festzulegen. Manchmal erhalten langjährige Mitarbeiter weitere Zuwendungen, bei denen die Beschäftigungsdauer berücksichtigt wird. Ein Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr ist hier die Faustregel, häufig ist jedoch eine Obergrenze festgelegt. Auch in Bezug auf die Abfindung können die oben erwähnten WARN Acts greifen: Beschäftigte, die durch diese Gesetze geschützt sind, haben innerhalb einer 60-tägigen schriftlichen Kündigungsfrist Anspruch auf ihr reguläres Gehalt inklusive entsprechender Sozialleistungen, selbst wenn die Arbeitnehmer nicht mehr an ihrem Arbeitsplatz erscheinen müssen.

Alternative Vergütungen regeln

Der Umgang mit noch nicht zugeteilten Vergütungen in Form von Optionen und anderen langfristigen Kompensationselementen, z. B. Restricted Stock Units, also aktienbasierte variable Vergütungselemente, deren Wert üblicherweise vom Börsenkurs der Aktien der Gesellschaft abhängen, stellt Personalverantwortliche und Compensation-Manager vor zusätzliche Aufgaben. Kulante Firmen beschleunigen die Zuteilung. Das bedeutet, dass eine Zuteilung, die normalerweise an einem definierten Stichtag stattfindet (meistens der Tag, an dem ein komplettes Beschäftigungsjahr abgeschlossen wird), schon vor dem Abschluss des Beschäftigungsjahres durchgeführt wird. Viele Unternehmen bestehen jedoch darauf, dass sich die Zuteilung an die tatsächliche Unternehmenszugehörigkeit anlehnt. Dies kann zu sehr großen Spannungen führen, wie ein aktuelles Beispiel zeigt: So wird berichtet, dass kürzlich Kündigungen bei Twitter sehr beschleunigt wurden, um damit Zuteilungen an Arbeitnehmer zu vermeiden – das kann bedeuten, dass ein Mitarbeiter wenige Tage vor der Zuteilung entlassen wird und damit seinen Anspruch verliert. Dieses Problem ist nicht auf Optionen und Restricted Stock Units beschränkt. Auch die Auszahlung des Jahresbonus ist fast immer an die Beschäftigung des Arbeitnehmers am Stichtag der Auszahlung geknüpft. Eine häufige Folge: Ein Mitarbeiter, der ein volles Beschäftigungsjahr abgeschlossen hat, geht leer aus, wenn er vor dem Tag der Auszahlung entlassen wird.

Krankenversicherungsschutz bewahren

Der Fortbestand der Krankenversicherung ist für Mitarbeiter ebenfalls sehr wichtig. Die COBRA-Regelung (Consolidated Omnibus Budget Reconciliation Act) gibt Angestellten auch nach einer Kündigung die Möglichkeit, die vom Arbeitgeber angebotene Versicherung – in der Regel bis zu 18 Monate – beizubehalten, die dann je nach Staat bis auf 36 Monate verlängert werden kann. Jedoch muss der Arbeitnehmer damit auch den Arbeitgeberanteil tragen (oftmals 100 Prozent der Gesamtprämie) – Kosten, die für jemanden, der soeben seine Stelle verloren hat, in der Regel schwer aufzubringen sind, vor allem, wenn die Familie mitversichert ist. Arbeitgeber haben hier die Möglichkeit, Teilbeträge des Arbeitgeberanteils weiterhin zu übernehmen und damit die Auswirkungen der Entlassung auf die Lebensumstände der gekündigten Person abzumildern.

„You are fired“ reicht nicht – durch Experten absichern

Das US-amerikanische Arbeitsrecht bietet den Mitarbeitern, verglichen mit der deutschen Gesetzgebung, einen geringeren Arbeitnehmerschutz. In den USA tätige Unternehmen sollten sich aber im Klaren darüber sein, dass es nicht ausreicht, lediglich eine Kündigung auszusprechen. Es lohnt sich, diese Maßnahmen gut vorzubereiten und dann sicher umzusetzen, um das Image des Unternehmens zu schützen und eine positive Stimmung unter den verbleibenden Beschäftigten zu erhalten. Insgesamt lautet die Empfehlung an deutsche Unternehmen mit Sitz in den USA, sich in Kündigungssituationen professionelle Unterstützung von Experten einzuholen, die mit geschriebenen und ungeschriebenen Regelungen auf dem amerikanischen Markt rund um Employer Branding und Recruitment vertraut sind und umfassende Beratung leisten. Damit sind Firmen sowohl in der Einhaltung der Bundes-, Staaten- und lokalen Gesetze als auch in der Befolgung der branchenspezifischen und regionalen Gewohnheiten und Vorschriften, die für die konkrete Situation relevant sind, auf der sicheren Seite.

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Quelle: ots

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