Wuppertal (ots) –
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung hat kürzlich die Anzahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle im Jahr 2023 veröffentlicht. Dabei konnte im Vergleich zu 2019 ein Rückgang der Zahlen um über zehn Prozent vermeldet werden. Die Sicherheitsingenieure Anna und Stefan Ganzke von der WandelWerker Consulting GmbH betrachten diesen deutlichen Rückgang dennoch kritisch. Wie Arbeitsunfälle in Deutschland erfasst werden, welche Rückschlüsse aus den aktuellen Daten gezogen werden können und warum sich der richtige Umgang mit Arbeitsunfällen positiv auswirken kann, wird im nachfolgenden Artikel dargestellt.
Unfälle passieren – was häufig so lapidar dahingesagt wird, ist für viele Unternehmen der Alltag. Trotz zahlreicher Sicherheitsvorkehrungen kommt es immer wieder zu Arbeitsunfällen. Sobald der Arbeitnehmer aufgrund dieses Vorfalls mehr als drei Tage ausfällt, muss der Betrieb den Arbeitsunfall der jeweils zuständigen Berufsgenossenschaft melden. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung DGUV wiederum fragt diese Daten bei den Berufsgenossenschaften ab und führt sie in einem Jahresbericht zusammen. Die neuesten Zahlen geben Anlass zur Freude, denn es konnte ein Rückgang bei den Arbeitsunfällen verzeichnet werden. „Jeder Arbeitsunfall, der verhindert werden kann, ist ein Erfolg für den Arbeitsschutz und die Unternehmen. Es wäre zwar schön, wenn die Zahlen stimmen würden, allerdings sehe ich diese Statistik eher kritisch“, relativiert Sicherheitsingenieur Stefan Ganzke von der WandelWerker Consulting GmbH.
„In Deutschland wird ein Arbeitsunfall erst nach über drei Tagen Ausfallzeit meldepflichtig. Manche Unternehmen nutzen diese Regelung, um die Meldung an die Berufsgenossenschaft zu umgehen“, führt der Experte weiter aus. Zusammen mit der Sicherheitsingenieurin Anna Ganzke leitet er die WandelWerker Consulting GmbH, mit der sie Unternehmen bei der systematischen und nachhaltigen Reduzierung von Arbeitsunfällen unterstützen.
Statistik: So viele Arbeitsunfälle haben sich 2023 ereignet
Laut DGUV kam es 2023 zu 785.164 meldepflichtigen Arbeitsunfällen – 717.566 davon fanden im gewerblichen Sektor statt, die restlichen 67.598 ereigneten sich im öffentlichen Sektor. Auch die Zahl der tödlich endenden Unfälle am Arbeitsplatz ist gesunken: 2023 mussten 390 solcher Tragödien gemeldet werden – 7,8 Prozent weniger als im Vorjahr.
Insgesamt entspricht dies einem Rückgang der Unfälle am Arbeitsplatz um 0,3 Prozent im Vergleich zu 2022. Deutlich beeindruckender ist der Vergleich mit dem Jahr 2019. Damals kam es zu über 100.000 Arbeitsunfällen mehr. Von 2019 bis 2023 gab es demnach einen Rückgang von mehr als zehn Prozent – ein beeindruckendes Ergebnis, das in dieser Deutlichkeit in den Jahren zuvor nicht erzielt werden konnte.
Deshalb sind diese Zahlen kritisch
Auf den ersten Blick erscheinen diese Zahlen – vor allem der deutliche Rückgang der Arbeitsunfälle im Vergleich zu 2019 – fantastisch. Gerade die massive Reduzierung ist jedoch auch der Grund dafür, dass viele Experten skeptisch sind. Eine solche Entwicklung wäre zwar wünschenswert, ist in so kurzer Zeit jedoch nicht realistisch. Es muss eher davon ausgegangen werden, dass einige Unternehmen viel Energie darin investieren, dass die Meldungen an die Berufsgenossenschaften nach Arbeitsunfällen gering ausfallen. Doch warum tun sie das?
Einerseits stehen Unternehmen heute auch bei der Anzahl an Arbeitsunfällen in einem direkten Vergleich mit anderen Marktbegleitern. Selbst intern wird ein kritischer Vergleich zwischen den unterschiedlichen Betriebsstandorten vollzogen. Dieser Vergleichsdruck führt dazu, dass das ein oder andere Unternehmen beispielsweise Leichtarbeitsplätze schafft, um eine Ausfallzeit von mehr als drei Tagen zu verhindern. In einigen seltenen Fällen ist der Unfall ebenfalls zu Hause passiert. Andererseits führen auch Zielsetzungen für Führungskräfte und Mitarbeiter zum Verschleiern von Arbeitsunfällen. Gerade wenn finanzielle Belohnungen beim Erreichen von null Arbeitsunfällen winken, sinkt oftmals die Motivation zum Melden von Arbeitsunfällen, sofern es sich vermeiden lässt. Die Folge: Viele Arbeitsunfälle bleiben unbemerkt und können nicht sachgemäß nachbereitet werden.
Lösung: So sollten Betriebe mit Arbeitsunfällen umgehen
Fest steht: Es braucht weniger gut gemeinte Maßnahmen, die zur Senkung der Meldemoral von Arbeitsunfällen führen, sondern vielmehr einen ehrlichen und offenen Umgang mit solchen Vorfällen. Mit jedem gemeldeten Unfall besteht für Unternehmen die große Chance, durch eine Unfallanalyse samt Ableitung von neuen Maßnahmen eine Wiederholung desselben Unfalls zu vermeiden. Hierbei empfiehlt es sich, die Beschäftigten aktiv einzubinden, weil diese den besten Überblick über die Risiken am Arbeitsplatz besitzen. Diese Vorgehensweise sorgt nicht nur für bestmögliche Schutzmaßnahmen, sondern führt auch zu einer höheren Akzeptanz in der Belegschaft.
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