Endlich wieder Zinsen! / IAC-Fondsmanager Martin Paulsen erklärt, was das für Aktien bedeutet

Itzehoe (ots) –

Herr Paulsen, ist es angesichts der aktuellen Lage auf der Welt nicht besser, das eigene Geld zu nehmen und unter das Kopfkissen zu legen?

Es ist richtig, wir haben überall Brandherde. Bei dem neuesten im Nahen Osten sind viele Mächte involviert, auch der Ölförderstaat Iran. Da muss man dann wieder schauen, ob das Implikationen auf den Ölpreis hat. Außerdem natürlich der Krieg in der Ukraine – es ist eine sehr große Gemengelage von Unsicherheit, die auch nicht auflösbar ist. Aber soll man deswegen als Anleger den Kopf in den Sand stecken? Natürlich kann man sich entscheiden, nicht zu investieren. Aber man sollte sich bewusst sein, Geld ist eine nominale Größe. Lege ich heute 100 Euro unter das Kopfkissen, um sie in drei Jahren wieder herauszuholen, werde ich mir nicht mehr den gleichen Gegenwert kaufen können. Die Inflation ist da, und sie ist hartnäckiger, als viele es erwartet hatten. Aus unserer Sicht wird sie nicht so schnell wieder zur Zielmarke von 2 Prozent zurückkehren. So hat man eine kleine Maus, die jährlich an den 100 Euro unter dem Kopfkissen nagt.

Also sollte man trotz der unsicheren Lage das Thema Geldanlage nicht aus den Augen verlieren?

Definitiv nicht. Zunächst einmal ist die Inflation gesellschaftliches Gift, weil sie alle trifft. Das Thema Geldanlage betrifft nur diejenigen, die es sich leisten können. Als Vermögensverwalter haben wir es mit diesen gut Situierten zu tun – die sollten sich Gedanken machen über ihre Ziele und dabei immer die Inflation im Blick haben.

Der Titel für die Seminarreihe lautet „Endlich wieder Zinsen“ mit Ausrufezeichen. Müsste dort auch noch ein Fragezeichen stehen?

Die Zinslandschaft hat sich tatsächlich vollständig gewandelt. Noch vor anderthalb Jahren gab es Verwahrentgelte, also Strafzinsen, oder einfach null Prozent Zinsen, das ist inzwischen passé. Es gibt wieder Zinsen, weil auch die Europäische Zentralbank die Zinsen erhöht hat, um die Inflation einzufangen. Die Banken bekommen für ihre Guthaben bei der EZB Zinsen und können diese an die Kunden weitergeben – sie können es mit Ausrufezeichen. Das Fragezeichen ist vielleicht auch berechtigt, weil es nicht alle Banken tun. Ungefähr 20 Prozent aller Banken und Sparkassen zahlen weiterhin null Prozent Zinsen auf das Tagesgeld. Diese Banken verdienen im Moment so gut wie noch nie dank ihrer Zinsmarge, haben aber in den vergangenen Jahren auch sehr gelitten und bauen jetzt einen Puffer wieder auf. Der Wettbewerb ist jetzt erst angefacht, da ist noch viel Musik drin.

Also darf sich ein Sparer freuen, wenn er jetzt drei oder vier Prozent Zinsen bekommt?

Es ist eine trügerische Freude. Das Denken, dass das Geld auf dem Sparbuch jedes Jahr mehr wird, ist bei den Deutschen besonders ausgeprägt. Sie fühlen sich reicher, sind es aber nicht, weil eine Inflationsrate, die über dem Sparzins liegt, das Vermögen entwertet und die Kaufkraft reduziert. Auf dem Papier sehen die Sparer eine höhere Zahl, können sich dafür aber weniger kaufen – das heißt, sie werden ärmer, merken es aber nicht. Wenn der Sparzins beispielsweise bei drei Prozent liegt und die Inflationsrate wieder bei der Zielmarke von zwei Prozent, ist es eine gesunde Situation.

Die einen Anleger aber auch nicht gleich jubilieren lässt.

Die bessere Variante ist, dass man nicht in Geldwerte investiert. Langfristig ist es sinnvoll, sich am Produktivkapital der Wirtschaft zu beteiligen mit der Einschränkung, dass man die Chancen, aber auch die Risiken bei seiner Entscheidung berücksichtigen muss. Aber wenn man breit streut in seiner Aktienanlage, ist man dort wesentlich besser aufgehoben. Ein gewisser Teil der zur Verfügung stehenden Mittel muss allerdings schwankungsunabhängig investiert werden, beispielsweise auf dem Tagesgeldkonto.

Was sagen Sie Anlegern, die sich an Aktien angesichts der unsicheren Lage in der Welt nicht herantrauen?

Wir haben in den vergangenen 100 Jahren viele Krisen gehabt in der Welt. Wenn wir ehrlich sind, kommen wir nach einer Zeit relativen Friedens jetzt wieder in die Normalität

zurück. Die Märkte lassen sich davon kurzfristig immer beeindrucken – siehe Ölpreis nach dem Beginn des Ukraine-Krieges. Heute stehen Öl und auch Gas deutlich niedriger als damals. Kurzfristig wird es immer auch Rückschläge an den Aktienmärkten geben, aber dann stellt sich jeder darauf ein und es kehrt wieder eine Normalität ein, die gute Renditen verspricht. Lebensmittelkonzerne, Telekommunikationsunternehmen oder auch Unternehmen der Medizinbranche werden weiterhin erfolgreich wirtschaften. An diesen Produkten und Dienstleistungen, die Grundbedürfnisse der Menschheit befriedigen, können Anleger sich auch weiterhin beteiligen.

Inwiefern spielen die großen Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit für Anleger eine Rolle?

Das ist nicht nur für Anleger, sondern auch für die Unternehmen ein Riesenthema. Im Effizienzgewinn durch die Digitalisierung liegt eine enorme Chance, natürlich auch eine gewisse Gefahr. Manche Berufe werden verschwinden, neue Berufsbilder werden entstehen, und die Unternehmen sind gehalten, sich darauf einzustellen. Es ist ein riesiger Markt, an dem wir uns auch beteiligen beispielsweise durch Anteile bei Microsoft.

Nachhaltigkeit wird meist auf Umweltthemen reduziert, aber es geht auch um gute Unternehmensführung und soziales Miteinander. Da ist jedes Unternehmen selbst in der Pflicht, und es wird gemacht, weil es sonst schwer wird, die Produkte zu verkaufen. So gibt es vom KitKat-Riegel von Nestle nun auch eine vegane Variante. Man muss aber auch hinter die Kulissen schauen. Apple hat das Ziel ausgerufen, bis 2030 alle Produkte klimaneutral herzustellen. Wenn man genauer hinschaut, sind es nur 75 Prozent, die anderen 25 Prozent kompensieren sie mit der Aufforstung von Mangrovenwäldern. Das ist nichts Schlechtes, aber dennoch eine Form von Greenwashing. So gesehen haben die Unternehmen, in die wir investieren, ein großes Eigeninteresse, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und auch die Nachhaltigkeitsaspekte in ihrem täglichen Wirtschaften zu berücksichtigen.

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Fondsmanager
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Quelle: ots

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