Düsseldorf (ots) – Die Digitalisierung verändert auch die Transportbranche. Neue Technologieunternehmen wie z.B. die digitale Spedition „sennder“ aus Berlin drängen in den Markt und machen alteingesessenen Firmen Konkurrenz. In 4 Stufen zeigt die globale Unternehmensberatung Kearney, wie klassische Spediteure von der neuen, digitalen Konkurrenz lernen können, ihre Ressourcen zu optimieren, um weiterhin am Markt zu bestehen.
Die Transportbranche steht vor ihrer größten Herausforderung, wenn nicht sogar vor einer Disruption: Junge Digitalunternehmen wie sennder oder Instafreight machen den klassischen Spediteuren das Transportgeschäft streitig, während „alteingesessene“, digitale Transportplattformen wie Timocom oder Transporeon durch das verstärkte Aufschalten neuer Funktionen mehr Wertschöpfung aus dem Speditionsmarkt herausschneiden. Was die digitalen Konkurrenten auszeichnet, ist die Durchgängigkeit der digitalen Vernetzung zwischen dem gewerblichen Kunden (Verlader) und dem hochfragmentierten Markt der Fuhrunternehmer mit höherer Transparenz aller Prozessschritte und -teilnehmer in der Wertkette. Diese geht fundamental gegen die Kultur klassischer Spediteure, die gewohnt sind, ihr Geschäftsmodell mit Intransparenz über Subunternehmer und Ladungskombinationen zu schützen.
Eine Analyse der globalen Unternehmensberatung Kearney zeigt, wie die alteingesessenen Platzhirsche der Branche hier gegensteuern können. „Gewinnsteigerungen sind wegen der schmalen Margen vor allem über eine bessere Auslastung der LKWs möglich, d.h. weniger Wartezeiten zwischen den Aufträgen, weniger Leerkilometer zwischen Ent- und Beladung, Vermeidung von Füllaufträgen für Rückladungen, die sogar unter den Grenzkosten liegen. Um dies zu erreichen, müssen die etablierten Spieler die organisatorischen Silos überwinden“, erklärt Sven Rutkowsky, Logistikexperte und Partner bei Kearney. „Spediteure können von den neuen digitalen Marktteilnehmern lernen und sie nutzen, um ihre eigene Vertriebsbasis und ihre Transportnetze zu erweitern. Die Neuen sind also mehr als einfache Konkurrenz. Mit ihnen wird die Digitalisierung in der gesamten Branche beschleunigt und es ergeben sich ganz neue Wachstumschancen.“
In vier Stufen zur digitalen Exzellenz
Welche Möglichkeiten haben Speditionsunternehmen, die neuen digitalen Angebote in ihre eigenen Leistungen zu integrieren? Rutkowsky und seine Kolleginnen und Kollegen empfehlen vier Stufen, die aufeinander aufbauen und zu digitaler Exzellenz führen:
Stufe 1: Erhöhung der eigenen Reichweite in puncto Aufträge und Fahrzeuge durch digital integrierten Zugriff auf verschiedene digitale Konkurrenten und Plattformen
Die Einbindung zusätzlicher Marktplätze und digitaler Spieler sowie die direkte Integration von Verladern über Schnittstellen sind die entscheidenden Schritte, um von der aktuellen Entwicklung zu profitieren. Um dies zu ermöglichen, müssen sich alle Spieler für eine stärkere digitale Integration per APIs öffnen und den Quotierungs- und Buchungsprozess über ihre Systeme und diese Schnittstellen abbilden. Dies beinhaltet die notwendige, stärkere Öffnung der digitalen Spieler, die ihre Skepsis gegenüber einem „Auto-Crawling“ ihrer Angebote durch die Spediteure ablegen und die win-win Vorteile sehen sollten.
Stufe 2: Standardisierung und Professionalisierung der ausgetauschten Daten zu Aufträgen und Kapazitäten der Branche.
Die Beschleunigung von Ausschreibungen und die Standardisierung der Ausschreibungskriterien können helfen, die attraktivsten Kombinationen von Ladungen und Transportkapazitäten zu sichern. Dies muss mit einer Ausweitung der IT-Integration und einer Anpassung der Standard-Vertriebsprozesse einhergehen. Heute ist ein Großteil der Ladung auf den Plattformen nicht in allen relevanten Kriterien wie Anforderungen an Fahrzeuge, Fahrer oder Zeitfenster beschrieben, sodass ein automatisiertes Pairing für diese unmöglich wird.
Stufe 3: Integration von Advanced Analytics für optimierte Auftrags- und Fahrzeugauswahl
Die Integration einer Analytics-basierten Planungs-Engine unterstützt das Matching von Ladung und Fahrzeugen und hilft, die Passung innerhalb des eigenen und ‚virtuellen‘ Netzes der Konkurrenten und Plattfomen sicherzustellen. Dies bedeutet die kontinuierliche Verarbeitung von verschiedenen Szenarien von Ladung und Kapazität über einen Zeitraum von bis zu einer Woche im Voraus inkl. aller bekannten Restriktionen z.B. für Fahrer. Diese Fähigkeiten sind typischerweise nicht Bestandteil von TMS Systemen, sondern verfügbar in Add-on Applikationen wie sie z.B. Kearney oder Nexogen anbieten.
Stufe 4: Automatisierung der Preisfindung für Spotgeschäfte und Jahresverträge
Die fortgeschrittensten Analytics-Applikationen sind in der Lage, die Preisfindungs- und Ausschreibungsprozesse mit voller Integration in das Transportmanagementsystem zu automatisieren. Dies beinhaltet die Bereitstellung von Preisempfehlungen auf Grundlage der tatsächlichen Kosten und Echtzeit-Auswirkungen eines einzelnen Spotmarkt-Auftrags auf das eigene Netz innerhalb von Sekunden. Gleichzeitig kann eine komplette Jahresausschreibung eines großen Verladers mit einer digitalen Planung (Twin) des wahrscheinlich künftigen, eigenen Basisnetzes der kommenden Quartale kombiniert werden und daraus können Preisvorschläge pro Transportverbindung (Lane) automatisiert abgeleitet werden. „Hier werden wir die größten Entwicklungsschritte der vorhandenen Systeme in den kommenden Jahren sehen“, prophezeit Rutkowsky.
Viele Unternehmen stehen erst am Anfang dieses Transformationsprozesses.
Daten verknüpfen
Um die Herausforderungen der Branche anzugehen, müssen die Unternehmen an drei Hebeln gleichzeitig ansetzen:
Erstens müssen alle Funktionen – vom Vertrieb über die Planung bis zum Flottenbetrieb – end-to-end und ganzheitlich betrachtet und das oft vorhandene Silo-Denken überwunden werden. Werden dann alle Bereiche mit Hilfe der verfügbaren Daten verknüpft, können die zentralen, unternehmerischen Ziele in ihrer Gesamtheit angegangen werden.
Zweitens sollten alle relevanten Daten in eine Cloud-Infrastruktur verlagert werden, die den Advanced Analytics Applikationen ermöglicht, die große Menge an Daten und Berechnungen innerhalb von Minutentakten für ganze Netzwerke zu bewältigen. Erst Echtzeitbewertungen im alltäglichen Betrieb gewähren die erforderliche Reaktionsschnelligkeit, um Ladungen und Kapazitäten, die oft nur für Sekunden digital verfügbar sind, zu sichern.
Wenn sich, drittens, die Spediteure automatisiert an die digitalen Marktteilnehmer anbinden, können sie vom Zugriff auf nahezu unbegrenzte Aufträge und Kapazitäten profitieren.
Als positiver Nebeneffekt kann so auch die mittelständische, europäische Struktur von Landverkehrsspeditionen erfolgreich bleiben, ohne dass im Sinne von „the winner takes it all“ ein (digitaler) Spieler den Landverkehr der Zukunft dominiert.
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Michael Scharfschwerdt
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Quelle: ots