Der Krieg und die wirtschaftlichen Folgen: Coface revidiert weltweit BIP-Prognosen

Mainz (ots) –

Der Kreditversicherer Coface hat seine Wachstumsprognosen für das Jahr 2022 revidiert und damit auf den Krieg in der Ukraine sowie die umfangreichen Sanktionen der vergangenen Wochen reagiert. Starke Rückgänge im Bruttoinlandsprodukt (BIP) verzeichnen erwartungsgemäß die beiden Kriegsparteien, eine verbesserte Prognose erhalten vereinzelt rohstoffreiche Länder in Afrika und im Nahen Osten. Für die deutsche Wirtschaft erwartet Coface im Jahr 2022 nunmehr ein Wachstum von 1,8% im Vergleich zum Vorjahr – ein Rückgang von 1,6 Prozentpunkten (Pp.) zur vorherigen Prognose.

Ökonomisch betrachtet zählen sowohl Russland als auch die Ukraine aufgrund der Sanktionsmaßnahmen beziehungsweise der Zerstörung der Produktionsmittel zu den größten Verlierern. In der Ukraine erwartet Coface derzeit einen preisbereinigten Rückgang der Bruttoinlandprodukts von 15% gegenüber dem Vorjahr, in Russland wurde die Prognose um etwa 10 Prozentpunkte auf -7,5% herabrevidiert.

Profiteure im Nahen Osten und in Afrika

Eine verbesserte Wachstumsprognose erhalten vor allem Länder, die reich an Rohstoffen und zugleich kaum abhängig von Importen aus Russland und der Ukraine sind. Hierzu zählen Länder im Nahen Osten wie Saudi-Arabien oder der Iran, der durch seine großen Ölreserven wieder eine Annäherung mit den USA und zumindest eine Teilaufhebung des Ölembargos erreichen könnte. Gleiches gilt für einzelne Länder im südlicheren Afrika wie Angola und Gabun, deren Ölexporte mehr denn je gefragt sein dürften.

„Gewinne und Verluste gleichen sich aus“

Beim Blick auf die Weltkarte wird deutlich, dass es Regionen gibt, deren ursprüngliche Wachstumsprognosen trotz der russischen Invasion in der Ukraine stabil bleiben. Das gilt für weite Teile Lateinamerikas und Afrikas. Eine gleichbleibende BIP-Prognose bedeutet jedoch nicht, dass ein Land nicht vom Krieg in der Ukraine beeinflusst wird. Beispiel Norwegen: Dort profitiert die Ölindustrie, die jetzt deutlich mehr investieren kann und starke Exportzahlen vermeldet. „Aber es gibt eben auch die Verlierer. Das sind die norwegischen Konsumenten, denn der Staat gibt das Öl an seine Einwohner nicht vergünstigt ab. Die Norweger müssen also ähnlich hohe Preise zahlen wie Westeuropäer. Die Gewinne und Verluste für die norwegische Wirtschaft als Ganzes gleichen sich schlussendlich aus“, sagt Coface-Volkswirtin Christiane von Berg.

Blick nach Europa: Noch 1,8% Wachstum in Deutschland

In den meisten Ländern Europas wurden die BIP-Prognosen für das Jahr 2022 zwischen 0,5 und 1,5 Prozentpunkte abwärtsrevidiert. Grund hierfür sind weniger die direkten Handelsbeziehungen – vielmehr spielen der Preiseffekt von Rohstoffen sowie Zulieferprobleme eine herausragende Rolle. Obwohl Russland seinen Verpflichtungen bei Gas- und Öllieferungen fast unverändert nachkommt, haben die Finanzmärkte hier einen deutlichen Rückgang antizipiert. Das hat zu einem starken Anstieg der Öl- und Gaspreise in Europa geführt. „Die hohen Energiepreise übersetzten sich in hohe Produktions- oder Transportkosten, die dann fast alle Güter mehr oder weniger stark verteuern. In der Folge bezahlen Konsumenten mehr für ihre normalen Einkäufe und haben weniger Geld für andere Anschaffungen, wodurch das BIP-Wachstum abgebremst wird“, erklärt Christiane von Berg. Gleiches gelte auch für Unternehmen, denen dann weniger Liquidität für Investitionen zur Verfügung steht. Deutschland ist als Industriestandort mit einer starken Energienachfrage von den genannten Entwicklungen besonders betroffen. Die Coface-Experten rechnen nach aktuellem Stand nur noch mit einem Wachstum von 1,8% (-1,6 Pp.) für dieses Jahr, auch aufgrund des starken Anziehens der Inflationsrate, die mit 6,9% dieses Jahr in Richtung der Werte von 1974 (erster Ölpreisschock) gehen könnte.

In den Niederlanden erwartet Coface ein BIP-Wachstum von 3,6% (vorher 4,4%) und eine Inflation, die innerhalb des Jahres 2022 die 10%-Marke durchbrechen sollte. Die Niederlande sind zwar Netto-Energie-Importeur, könnten aber mittels anderer Bezugsquellen zumindest unabhängig von russischem Gas werden. Dennoch fällt der negative Effekt gestiegener Gaspreise auf die niederländische Wirtschaft ähnlich stark aus wie in den Nachbarländern, da über 70% der Einwohner mit Gas heizen. Steigende Gaspreise betreffen in der Folge also deutlich mehr Menschen als beispielsweise in Deutschland, wo 37% mit Gas heizen.

Nordische Länder: Finnland am stärksten betroffen

Im Norden Europas gibt es unterschiedliche Effekte durch den Krieg in der Ukraine: Mit Blick auf das BIP rechnet Coface in Norwegen mit keiner Veränderung, während die Inflationsrate von 3,5% auf 4% aufwärts revidiert wurde. In Finnland sind die Auswirkungen hingegen deutlicher zu spüren. Denn Finnland und Russland haben nicht nur eine gemeinsame Grenze, sondern sind auch durch Handelsabkommen miteinander verbunden. Diese Beziehungen aufgrund der europäischen Sanktionen weiter herunterzufahren, dürfte schwierig und kostspielig zugleich werden. Daher prognostiziert Coface ein BIP-Wachstum von nur noch 2,5% im Jahr 2022 (-0,7 Pp.). In Dänemark und Schweden dagegen sind die direkten Handelsbeziehungen zu Russland oder der Ukraine weniger ausgeprägt und Gas macht nur einen kleineren Anteil am Netto-Energiekonsum in beiden Ländern aus.

Mehr Infos, aktuelle Prognosen und die Grafik zum Download: www.coface.de

Am 12. Mai (10:00–12:30 Uhr) veranstaltet Coface den 15. Kongress Länderrisiken. Die Veranstaltung wird via Livestream aus der Halle 45 in Mainz übertragen und steht unter dem Motto „Klima, Krisen, Katastrophen – auf welche Risiken die Wirtschaft jetzt reagieren muss“. In verschiedensten Gesprächsformaten sind u. a. mit dabei: die Politökonomin und Nachhaltigkeitsexpertin Prof. Dr. Maja Göpel, Moderatorin Isabelle Körner (n-tv), Dr. Manuel Kallweit (VDA) sowie viele weitere Expert*innen aus Wirtschaft und Wissenschaft. Mehr Informationen und kostenfreie Anmeldung unter https://www.laenderrisiken.de/ // Pressevertreter*innen, die vor Ort dabei sein möchten, wenden sich bitte direkt an Pressesprecher Sebastian Knierim ([email protected]).

Pressekontakt:
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Sebastian Knierim – Pressesprecher –
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Quelle: ots

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